REPORT Young Professionals Truck Award 2015 „Mein Favorit ist der Mercedes Actros. Ich fahre in meinem Betrieb einen Mercedes der früheren Generation. Das Kurvenverhalten und die Umsicht sind noch besser geworden.“ Aslan Turan, BKF-Azubi Der DAF XF punktet in der DesignWertung mit seinem Innenraum. Die groß anmutende Kabine und die zahlreichen Ablagemöglichkeiten kommen bei den jungen Fahrern im Vergleich gut an. Dafür muss sich der DAF in Sachen Innenraumdesign dem Actros geschlagen geben. Der Mercedes wirkt im Innenraum dank hochwertiger Materialien beispielsweise am Armaturenträger edler als sein holländischer Mitbewerber. Folgt man dem Urteil von Fabian Doroszynski, ist die Design-Wertung für den MAN TGX leicht nachzuvollziehen. In Sachen Optik hat der Münchner in den Augen des Fahrernachwuchses der Konkurrenz wenig entgegenzusetzen. Positiv fallen den Schülern aber einige Funktionselemente auf. Dazu gehören Fahrersitz und Lenkradverstellung ebenso wie der Einstieg ins Fahrzeug. Der Renault Trucks T wäre in der Design-Wertung wohl auf Augenhöhe mit dem MAN, hätte er bei der äußerlichen Anmutung nicht einige Ausreißer nach oben. Der Innenraum des T gefällt den Schülern. Sie goutieren das Raumgefühl, die zahlreichen Ablagemöglichkeiten und den Komfort des Gestühls. Nur bei der Lenkradverstellung scheint es Nachholbedarf zu geben. Die lässt für den Fahrer nur leidlich eine bequeme Armhaltung zu, da sie nur zweistufig – und nicht wie beim Volvo etwa dreistufig – verstellbar ist. Mit dem ersten Eindruck vom Lkw geht es für die Schüler auf die Straße. Auf einer rund 20-minütigen Tour durch die Eifel galt es vor allem den Antriebsstrang zu bewerten. Zudem sollten die Schüler sich mit den Fahrerassistenzsystemen, der Rundum- sicht und den Instrumenten im Lkw befassen, um die Driving Experience in 13 Punkten zu bewerten. Hier gelingt es dem beim Design noch etwas glücklosen Renault Trucks T sich vor den MAN zu setzen, wenn auch nur mit einem Abstand von 0,06. Das Zünglein an der Waage war die Getriebeaktivität. Renault Trucks hat den T mit 480 PS, dem Optidriver-Getriebe und einer Spreizung von 14,94 : 1 ausgestattet sowie mit einer Antriebsachsübersetzung von 2,64 kombiniert. Das kam bei den Testern auf der hügeligen Eifelstrecke besser an als die MAN-Kombination aus MAN Tipmatic (16,69 : 1) und einer etwas kürzeren Antriebsachse (i = 2,7), eines maximalen Drehmomentvorteils von 200 Newtonmetern und einer Leistung von 520 PS. Das bestätigt auch Testfahrer Benjamin Liebich, der sonst für den Logistiker Emons unterwegs ist. „Ganz ehrlich, ich kann beim T nicht meckern“, berichtet Liebich. „Der Renault liegt nicht nur gut auf der Straße, er ging auch beim Anfahren am Berg gut und zügig weg.“ Seiner Ansicht nach merke man momentan deutlich, dass der Franzose mit seinem schwedischen Konzernbruder Volvo FH gleichzieht. Dafür muss der Renault beim Einsatz des Tempomaten zurückstecken, was unter anderem an der gewöhnungsbedürftigen Bedienung über Tasten an der Unterseite des Lenkrads liegt. Zudem haben sich manche der Nachwuchsfahrer mit der Übersichtlichkeit der Instrumententafel im Franzosen schwergetan. Vor Renault und MAN positionieren sich mit etwas Abstand DAF und Mercedes-Benz. Beide Fahrzeuge werfen ein maximales Drehmoment von 2.300 Newtonmetern in die Waagschale, wobei der XF mit 460 8 FERNFAHRER 8 I 2015 Die Sachverständigenorganisation Dekra betreut die Testfahrten. PS den maximalen Vortrieb bereits 100 Umdrehungen früher erreicht als der Actros mit seinen 480 PS. Beim Zusammenspiel von Getriebe und Übersetzung der Antriebsachse schenken sich die beiden Kontrahenten nicht viel. DAF hat für den Test eine etwas größere Getriebespreizung gewählt, dafür aber die Hinterachse länger übersetzt. Der Mercedes kommt mit einer kürzeren Achsübersetzung und einer kleineren Spreizung des Getriebes daher. Für den Fahrer spürbare Unterschiede sollte es aufgrund der Antriebsstrang-Auslegung also kaum geben. Dennoch haben die Nachwuchsfahrer dem Actros weniger Agilität bescheinigt, als dem jüngst modellgepflegten XF und bewerten deshalb den Schwaben bei der Schaltstrategie mit einer rund vier Zehntel schlechteren Note. Das überrascht ein wenig, da die dritte Generation des Mercedes-eige- „Der Renault hat mich positiv überrascht. Der Innenraum ist richtig groß und hat auch viele Staumöglichkeiten. Man kann zusätzlich noch das Bett hochklappen und hat so noch mehr Platz. Ich selbst möchte auch in den Fernverkehr und von daher wäre die Kabine auch die richtige für mich.“ Maik Michalek, BKF-Azubi nen Power-Shift-Getriebes dem Wettbewerber ZF AS-Tronic in anderen Tests mindestens auf Augenhöhe begegnet. Eine Klasse für sich ist da der Volvo. Während Renault Trucks T und MAN TGX bei der Driving Experience sich im hinteren Bereich tummeln und Mercedes Actros und DAF XF das Mittelfeld unter sich ausmachen, sucht der FH an der Spitze noch seinesgleichen. Die Erklärung dafür fällt leicht. Volvo hat die Testfahrzeuge mit dem bislang einzigartigen Doppelkupplungsgetriebe i-Shift DC ausgestattet. Das 500 PS starke Fahrzeug ist so in der Lage, alle Gangstufen – außer beim Gruppenwechsel zwischen 6 und 7 – ohne Unterbrechung der Zugkraft zu schalten. Volvo hat die Getriebevariante zur Präsentation selbst mit einem Zugewinn an Komfort beworben. Dieser Ansicht sind auch die angehenden Berufskraftfahrer. „Durch das Doppelkupplungsgetriebe schaltet der FH am Berg weich und zügig – das ist beeindruckend“, findet Testfah- 100 Jahre Kompetenz Seit der Gründung im Jahre 1915 hat sich im Hause ZF Friedrichshafen viel getan. Davon konnten sich die angehenden Berufskraftfahrer im Schulungstrailer des Getriebeherstellers selbst überzeugen. Nach einer multimedial aufbereiteten Reise durch 100 Jahre Getriebetechnik klärte Angelo Luthe die Azubis über Baureihen und technische Unterschiede zwischen den Modellen auf und wagte zugleich einen Ausblick auf die Getriebegeneration Traxon. Aufgrund des modularen Aufbaus lässt sich das aktuelle ZF-Zugpferd an den jeweiligen Einsatz anpassen. Dazu gehören je nach Anwederwunsch: Doppelkupplungs-, Hybrid- und Schwerlastmodul sowie eine Erweiterung, die das Getriebe die Topografie vor dem Lkw erkennen lässt. Die Technologie passt in das Umfeld der angestrebten CO2-Ersparnis. Nachdem die Schadstoffemissionen eines modernen Lkw dank Euro 6 kaum mehr messbar sind, ist die Einsparung von Treibstoff das nächste große Thema der Lkw-Hersteller. Der Aerodynamik sind dabei enge Grenzen gesetzt. Wer sie deutlich verbessern möchte, braucht neue Lkw-Abmessungen. Stichwort: Tropfenform. Doch da bremst der Gesetzgeber. Es sind zwar Überlegungen im Gange, aber bis zu deren Umsetzung wird es dauern. Da lässt sich innovative Getriebetechnik viel schneller umsetzen und in diesem Fall könnte der Lkw sogar ein Modell für eine zukünftige Pkw-Entwicklung abgeben. ZF hat das neue Getriebe mit der revolutionären Schaltstrategie PreVision getauft. Es agiert dank GPS-Anbindung und einer Schnittstelle zu Navigationsdaten vorausschauend und besonders Kraftstoff sparend. Die Schnittmodelle der einzelnen Typen und Generationen boten einen faszinierenden Einblick in die Komplexität eines modernen Nutzfahrzeuggetriebes, der den meisten Berufsschulen wohl nicht zur Verfügung stehen dürfte. FERNFAHRER 8 I 2015 9
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